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Politik ohne Populismus und Polemik

Haushaltsrede von Jeyaratnam Caniceus in Kempen - ÖDP fordert mehr ökologische Politik für Kempen

(Kempen) – „Auf einem begrenzten Planeten ist ein unbegrenztes Wachstum unrealistisch“, so der ÖDP-Fraktionsvorsitzende Jeyaratnam Caniceus in seiner Haushaltsrede im Rat der Stadt Mönchengladbach. „Auch Kempen verfügt nicht über unbegrenzte Ressourcen für künftige Gewerbegebiete. Wertvolles Ackerland, das Nahrung für Menschen und Tiere produziert, sollte nicht versiegelt werden.“

 

Caniceus kündigte an, dass sich die ÖDP als kleine Fraktion im Rat der Stadt Kempen auch weiterhin nicht verstecken werde. Die konstruktive Kompromissbereitschaft der ÖDP dürfe jedoch keine Einbahnstraße sein. Hier fordere die ÖDP Gegenseitigkeit in.

 

Zur Umweltpolitik zitierte Caniceus Willi Brand, der ausführte: „„Ich warne davor, zu glauben, dass der Markt die Umwelt alleine in den Griff bekommt - dies ist geradezu ein Paradebeispiel für öffentliche Verantwortung.“ Dieses Zitat sieht Caniceus als Leitspruch für zukünftiges politisches  Handeln. Umweltpolitik dürfe aber auch den sozialen Frieden nicht außer Acht lassen.

 

„Die Menschen brauchen in erster Linie bezahlbaren und angemessenen Wohnraum.

Ohne diesen werden viele Menschen sich vom Klimaschutz abwenden“, so Caniceus. Daher verlange die ÖDP neue Wege in der kommunalen Wohnungs- und Grundstückspolitik. Die Stadt müsse kleinere und günstige Grundstücke für

bauwillige junge Familien in Kempen bereitstellen, dazu gehörten auch

die Anwendung von Erbbaurechten angesichts der dramatisch hohen Bau- und Folgekosten.

 

Bei der Förderung von Fotovoltaik will die ÖDP einen Schwerpunkt zugunsten von Balkonkraftwerken. „Es ist uns nicht schlüssig, dass jemand, der eine PV-Anlage auf dem Dach installiert, die etwa 20.000 Euro kostet, wirklich auf städtische

Zuschüsse in Höhe von 500 Euro angewiesen ist.“ so Caniceus. Die Bereit-

stellung zusätzlicher Mittel solle z. B. für die Anschaffung von Balkonanlagen erfolgen. Davon profitierten auch einkommensschwächere und auch

für Empfänger von Bürgergeld.

 

Die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der ÖDP im Rat der Stadt Kempen, Jeyaratnam Caniceus, im Wortlaut:

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Vertreterinnen

und Vertreter der Presse,

liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.

 

Der immer noch andauernde Angriff Russlands auf die Ukraine, der

Überfall der Hamas auf Israel, die Aufrüstung und Erweiterung der

NATO sowie die atomare Drohung Russlands setzen uns alle in Auf-

ruhr und werfen dunkle Schatten auch auf die kommunale Politik.

Nicht zuletzt sorgen die Remigrationsfantasien der rechten Szene für

Beunruhigung.

 

Gut gemeinte, aber schlecht gemachte Heizungsgesetze und die Ab-

schaffung von Subventionen beim Agrardiesel geben bundesweit den

rechten Rattenfängern zusätzlichen Auftrieb.

 

Nun komme ich zur Kommunalpolitik.

 

Als einer der letzten Redner dieser Beratung möchte ich nicht noch

einmal alles wiederholen, was schon gesagt wurde. Viele wichtige

Punkte dieses Haushaltsplans wurden bereits von Vorrednern der

Fraktionen angesprochen. Trotzdem möchte ich auf einige Punkte

eingehen, die unsere Entscheidungsfindung nicht einfach gemacht ha-

ben.

 

Zunächst habe ich eine Bitte.

 

Die Einigkeit und Kompromissbereitschaft, die die Fraktionen heute

beim Haushalt gezeigt haben oder werden, sollen auch im nächsten

Jahr, 2025, beim Haushalt unverzichtbar sein. Angesichts der Heraus-

forderungen, die uns bevorstehen, sollte unser Haushalt nicht in den

Mühlen des Wahlkampfs zermahlen werden.

 

Wir sind auch dafür, dass die Kosten für den Schulneubau auf Seite

291 im Haushalt für 2024, 2025 und 2026 herausgenommen werden.

Das wird jedes Haushaltsjahr um jeweils 15 Millionen entlasten. Das

geht, weil wir ja erst noch den Sportpark fertig bauen müssen und

erst dann auf dem alten Jahnplatz anfangen können zu bauen. Bitte,

das geschieht nicht vor 2026. Also sind die dreimal 15 Millionen viel

zu früh in den Haushalt gelangt. Es belastet uns nur. Und die Jahres-

zinsen entfallen auch, also noch einmal gute 600.000 Euro im Jahr bei

4 % Zinsen.

 

Die von der Politik geforderte Stellenbemessungsermittlung durch ein

Fachbüro wird auch herausgenommen, das tragen wir auch mit. Das

sind für 2024 glatte 80.000 Euro, die wir sparen. Der Grund des Strei-

chens ist, dass wir strukturell im Moment so aufgestellt sind, dass eine

Stellenanalyse und dann die Neubemessung der Stellenzahlen zwar

ginge, aber wenn wir dann digital aufwerten und räumlich umbauen

usw., dann passt diese teure Analyse schon nicht mehr. Also halten wir

diese 80.000 Euro für zum Fenster hinausgeworfen. Wir hätten dann

ein teures Drehbuch, nur den Film drehen, also das Umsetzen, wäre

nicht machbar.

 

Der Bau eines Fahrradparkhauses pro Parkplatz, der 7.000 Euro kos-

ten würde, könnte eventuell einen Zuschuss vom zuständigen Ministe-

rium erhalten. Allerdings hat das Ordnungsamt mittlerweile ermittelt,

dass am Bahnhof kein Mehrbedarf an weiteren Fahrradabstellflächen

besteht. Der altbekannte, überdachte Fahrradplatz gegenüber der Po-

lizei ist zwar immer überfüllt, aber der zweite Fahrradplatz am

Bahnhof in der Nähe des Arnoldhauses, der ebenfalls überdacht ist, ist

meist nur zu einem Drittel belegt. Daher besteht kein Druck, mehr

Fahrradständer zu installieren. Hier liegt ein ungenutztes Verbesse-

rungspotential im Haushalt vor, da anscheinend noch Spielraum nach

oben besteht und es vorerst im Haushaltsplan belassen werden kann.

Ratsfraktion Kempen.

 

Was den neu zu schaffenden Seniorenlotsen betrifft, der für drei Jah-

re als Vollzeitstelle vom Kreis finanziert wird, stimmen wir zu, diese

Stelle mit einem KW-Vermerk zu beschließen. Die Stadt wird ihn ein-

stellen müssen, aber nach drei Jahren wird dieser Mitarbeiter fest an-

gestellt sein. Sobald die Förderung ausläuft, müssen wir sein Gehalt

dauerhaft in unseren Stellenplan aufnehmen.

 

Diese Verbesserung des Haushalts hat uns überrascht. Wir als ÖDP-

Fraktion werden gebeten, der Erhöhung der Grundsteuer B von 470

auf 502 Punkte nun doch zuzustimmen. Das bedeutet, dass eine Mehr-

einnahme von 407.000 Euro entsteht. Das würde z. B. für eine Dop-

pelhaushälfte mit knapp 300 qm Grundstück nur um die 25 Euro

mehr im Jahr bedeuten. Sonst verzichten wir also auf Gelder aus dem

Land NRW, die unser Haushalt dringend benötigt. So und nur des-

halb sind wir nun bereit, die Grundsteuer B auf Landesdurchschnitt

„moderat“ anzuheben. Trotz große Bedenken.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Manche unserer Anträge und Anfragen genießen in der Verwaltung

nicht denselben Stellenwert wie die Anträge und Anfragen der großen

Fraktionen. Unsere E-Mails an die Verwaltung landen wahrscheinlich

ungeöffnet im Spam-Ordner.

 

Als eine der kleinsten Fraktionen im Rat der Stadt Kempen haben wir

es nicht leicht, wir verstecken uns auch nicht. Das werden wir auch

nach 2025 wieder tun. Wir stehen für eine Politik, die sich in Kempen

ohne Populismus und Polemik bewährt. Obwohl manche Entschei-

dungen schmerzhaft waren, sind wir über unseren Schatten gesprun-

gen und haben uns das eine oder andere Mal als verlässliche Mitstrei-

ter bewiesen und Verantwortung übernommen. Das darf nicht wie ei-

ne Einbahnstraße sein, sondern muss auf Gegenseitigkeit beruhen.

 

In der Vergangenheit haben wir die PV-Pflicht und auch den Klima-

Check abgelehnt. Ja, wir haben nach bestem Wissen und Gewissen

gehandelt und stehen auch heute noch zu dieser Entscheidung. Wir

lassen uns nicht von kleinkarierten parteipolitischen Interessen leiten.

Wir lehnen weiterhin Steuergeldverschwendung in Form von Rad-

schnellwegen ab. Das Radverkehrskonzept muss Stück für Stück um-

gesetzt werden.

 

Meine Damen und Herren,

die besten Klimaschutzmaßnahmen nutzen uns letztendlich nichts,

wenn wir unseren sozialen Frieden außer Acht lassen. Die Menschen

brauchen in erster Linie bezahlbaren und angemessenen Wohnraum.

Ohne diesen werden viele Menschen sich vom Klimaschutz abwenden.

Wir verlangen neue Wege in der kommunalen Wohnung- und Grund-

stückspolitik. Wir müssen kleinere und günstige Grundstücke für

bauwillige junge Familien in Kempen bereitstellen, dazu gehört auch

die Anwendung von Erbbaurechten. Wir sind gespannt, wer künftig

im Kempener Baugebiet, dem Kempener Westen, bauen darf und

bauen kann, angesichts der dramatisch hohen Bau- und Folgekosten.

Während der Vorbereitung dieser Haushaltsrede bin ich auf folgendes

Zitat von Willy Brandt gestoßen:

 

„Ich warne davor, zu glauben, dass der Markt die Umwelt alleine in

den Griff bekommt - dies ist geradezu ein Paradebeispiel für öffentli-

che Verantwortung.“ Zitat Ende.

 

Hier haben wir nichts hinzuzufügen.

 

Wir stehen auch zu den breit beschlossenen städtischen Klimaschutz-

konzepten und der Einhaltung des Zeitplans, aber dieses Klima-

schutzkonzept darf nicht in Stein gemeißelt sein. Eine zusätzliche Bü-

rokratie lehnen wir ab.

 

Es ist uns nicht schlüssig, ob jemand, der eine PV-Anlage auf dem

Dach installiert, die etwa 20.000 Euro kostet, wirklich auf städtische

Zuschüsse in Höhe von 500 Euro angewiesen ist. Angesichts des zu-

nehmenden Mitnahmeeffekts sollten wir unsere Prioritäten überden-

ken. Wir könnten uns auf die Förderung von Balkonkraftwerken und

ähnlichen Maßnahmen konzentrieren, beispielsweise durch die Bereit-

stellung zusätzlicher Mittel für die Anschaffung solcher Anlagen, auch

für Empfänger von Bürgergeld. Vielleicht finden wir so eine einver-

nehmliche Lösung.

 

Wir lehnen den Ausverkauf städtischer Schlüsselobjekte an private

Investoren kategorisch ab. Durch den Verkauf verliert die Stadt ihre

Planungshoheit in der Zukunft.

 

Meine Damen und Herren,

auf einem begrenzten Planeten ist unbegrenztes Wachstum unrealis-

tisch. Auch Kempen verfügt nicht über unbegrenzte Ressourcen für

künftige Gewerbegebiete. Wertvolles Ackerland, das Nahrung für

Menschen und Tiere produziert, sollte nicht versiegelt werden. Des-

wegen fordern wir, dass künftige Gewerbegebiete in Kempen nicht zu

Lagerstätten für Großkonzerne oder Baustoffe werden, sondern Orte

für Forschung und Entwicklung sowie Produktionsstätten für Zu-

kunftstechnologien entstehen.

 

Wildblumenwiesen und Bäume generieren keine Steuereinnahmen.

Deshalb sind wir als Fraktion für Wirtschaft und Tourismus politisch ak-

tiv. Unsere Hartnäckigkeit hat nach mehreren Anläufen Früchte ge-

tragen. Wir haben durchgesetzt, dass Trinkwasserbrunnen installiert

werden. Auch im künftigen Tourismus-Informationszentrum ist, wie

bereits bekannt, unsere Handschrift erkennbar. Die Neubeschilderung

der historischen Altstadt haben wir angeregt. Wir sind gespannt auf

die Image-Filme, die die Stadt Kempen seit mehreren Jahren plant.

 

Wer die Entwicklung der Kempener Western ablehnt, wer den Bau

einer Gesamtschule ablehnt, hat den Bezug zur Realität verloren und

wohnt in seinem eigenen Schneckenhaus.

 

Ich bedanke mich bei meinen Fraktionskollegen Günter Soleki und

weiteren sachkundigen Mitgliedern für die Unterstützung während

der Erstellung dieser Haushaltsrede.

 

Zum Schluss möchte ich mich im Namen der ÖDP-Fraktion herzlich

bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzverwaltung und

dem Kämmerer Jörg Geulmann für die geleistete Arbeit trotz der

schwierigen Ausgangslage bedanken.

 

Wir stimmen dem Haushalt in allen Anlagen zu.

 

Herzlicher Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

-Es gilt das gesprochene Wort-

 

Bild: Jayaratnam Caniceus; Bildquelle: ÖDP

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